Hamburg 1943: Die Operation Gomorrha

Hamburg im 2. Weltkrieg - die Operation Gomorrha 1943 www.generationengespräch.de

Ope­ra­ti­on Gomor­rha: In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 ent­zün­det ein bri­ti­scher Bom­ben­an­griff im Osten Ham­burgs einen Feu­er­sturm, der nicht gelöscht wer­den kann.
Gan­ze Stadt­tei­le wer­den zer­stört, über 35.000 Men­schen ster­ben.

In Ber­lin fürch­tet man, dass jetzt die Stim­mung in der Bevöl­ke­rung kip­pen könn­te und sich eine Mehr­heit vom NS-Regime abwen­den könnte.

Hamburg im Juli 1943

Im Ham­bur­ger Osten lie­gen die Vier­tel der klei­nen Leu­te. In Hamm und Borg­fel­de leben über­wie­gend Hand­wer­ker und Beam­te, im Bill­wer­der Aus­schlag und in Ham­mer­brook Arbei­ter­fa­mi­li­en — dicht gedrängt, kin­der­reich, mit Kanin­chen­stäl­len, Zink­wan­nen und Koh­len­sä­cken auf den schma­len Balkons.

Vor Aus­bruch des Zwei­ten Welt­kriegs leben in der Han­se­stadt rund 1,7 Mil­lio­nen Men­schen. Im Hafen, der Zehn­tau­sen­den Arbeit gibt, wer­den auch Kriegs­schif­fe gebaut. Seit 1940 ist Ham­burg des­halb immer wie­der zum Ziel alli­ier­ter Luft­an­grif­fe geworden.

Es ist 1943, das fünf­te Kriegs­jahr, eine schwie­ri­ge Zeit.
Die Kapi­tu­la­ti­on der 6. Armee Ende Janu­ar 1943 nach der grau­en­vol­len und wochen­lan­gen Schlacht um Sta­lin­grad war für vie­le ein Schock und eine psy­cho­lo­gi­sche Wen­de die­ses Krie­ges. Seit März die­sen Jah­res tobt im Ruhr­ge­biet der Batt­le of the Ruhr. In den Kino-Wochen­schau­en sehen auch die Ham­bur­ge­rin­nen und Ham­burg die Zer­stö­rung und das Leid, das vor allem bri­ti­sche Bom­ber über Städ­te wie Essen, Köln, Düs­sel­dorf und Dort­mund bringen.

In kei­nem Augen­blick die­ses gigan­ti­schen Kamp­fes dür­fen wir ver­ges­sen, dass es um Sein oder Nicht­sein unse­res Vol­kes geht!”, mahnt Pro­pa­gan­da­mi­nis­ter Joseph Goeb­bels in einer Rede die leid­ge­prüf­te Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner Dort­munds, nach­dem ihre Stadt in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai das zwei­te Mal inner­halb von drei Wochen schwer atta­ckiert wor­den war. 

Die Opfer­zah­len sind hoch, Unmut brei­tet sich aus.

Es ist die Zeit der Durch­hal­te­pa­ro­len. Vie­len fällt es schwer, den Glau­ben an den „End­sieg” nicht zu ver­lie­ren.
Aber die Angst und die Wut auf den „ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen Bom­ben­ter­ror” lässt die Men­schen weitermachen.

Vor dem Sturm

Der Abend des 27. Juli 1943, ein Diens­tag, ist unge­wöhn­lich warm.
Über­all sind Fens­ter und Türen weit geöff­net, vie­le Ham­bur­ge­rin­nen und Ham­bur­ger nut­zen die laue Som­mer­nacht für einen Abend­spa­zier­gang; Cafés und Knei­pen sind gut besucht. 

Gera­de ein­mal 72 Stun­den ist der letz­te Bom­ben­an­griff auf den Ham­bur­ger Wes­ten her, bei dem gro­ße Area­le in Alto­na, Eims­büt­tel und Hohe­luft dem Erd­bo­den gleich­ge­macht wor­den sind. Nun hofft man auf eine ruhi­ge Nacht. Eine gewis­se Gleich­mut gehört zum Kriegs­all­tag; anders wür­de man ver­rückt werden. 

Ham­burg wird seit dem 24. Juli mas­siv aus der Luft atta­ckiert, tags­über von den Bom­bern der United Sta­tes Army Air Forces (USAAF), die vor allem Stra­ßen, Eisen­bahn­li­ni­en und Fabri­ken ins Visier neh­men. Nachts kom­men die Bom­ber der Roy­al Air Force (RAF) und wer­fen ihre töd­li­chen Ladun­gen über den Wohn­ge­bie­ten der Städ­te ab.

Um 23.38 Uhr wird der Anflug eines gro­ßen Bom­ber­ver­ban­des auf Ham­burg gemeldet.

Die 80 Flak- und 22 Schein­wer­fer­stel­lun­gen, die Deutsch­lands wich­tigs­te Hafen­stadt schüt­zen sol­len, wer­den in Posi­ti­on gebracht, in der gan­zen Stadt heu­len Sire­nen: Drei an- und abschwel­len­de Signa­le — Fliegeralarm. 

Über den Rund­funk wird die Bevöl­ke­rung auf­ge­for­dert, die Luft­schutz­kel­ler aufzusuchen.

Denk­mal­ge­schütz­ter Hoch­bun­ker in der Bramfel­der Str. 96 in Barm­bek-Nord
Von Uwe Roh­wed­der — Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0,

Luftkrieg

Der Luft­krieg über Deutsch­land beginnt 1940; noch wäh­rend der „Luft­schlacht um Eng­land” lässt Win­s­ton Chur­chill die Roy­al Air Force Ber­lin bom­bar­die­ren.

Der ers­te Angriff der RAF auf Ber­lin fin­det in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1940 statt; von den ein­ge­setz­ten Flug­zeu­gen errei­chen nicht ein­mal alle die Reichs­haupt­stadt und die gerin­ge Bom­ben­last wird has­tig und weit ver­streut auf den Nor­den und Osten Ber­lins abgeworfen. 

Es ent­steht Sach­scha­den, aber nie­mand wird verletzt. 

Die lan­ge Stre­cke über die Nord­see bleibt lan­ge eine Her­aus­for­de­rung, und sobald die bewäl­tigt ist, wer­den die Flaks und Abfang­jä­ger der Deut­schen für vie­le bri­ti­schen Bom­ber­pi­lo­ten zum töd­li­chen Verhängnis. 

In den ers­ten Jah­ren haben vie­le RAF-Kom­man­dos eine Ver­lust­ra­te von bis zu 90 Prozent.

Aber die Bri­ten ver­fei­nern nicht nur ihre Navi­ga­ti­ons- und Flug­zeug­tech­nik, son­dern ent­wi­ckeln auch ein Sys­tem, mit dem man Städ­te opti­mal aus der Luft zer­stö­ren kann. Von Angriff zu Angriff ver­bes­sern sie ihre Tech­nik, um noch mehr Zer­stö­rungs­kraft, Cha­os, Tod und Leid über deut­sche Städ­te zu bringen.

Seit dem 14. Febru­ar 1942 gilt zudem die „Area Bom­bing Direc­ti­ve, also die Wei­sung über das Flä­chen­bom­bar­de­ment von Sied­lungs­ge­bie­ten. Es ist eine neue Stra­te­gie, die nur einem Ziel dient: Die Zahl der zivi­len Opfer in die Höhe zu trei­ben, um die Kriegs­mo­ral der Bevöl­ke­rung und vor allem die der Indus­trie­ar­bei­ter zu brechen.

Moral Bom­bing”: Der Tod von Zivi­lis­ten ist nicht län­ger ein bedau­erns­wer­ter Kol­la­te­ral­scha­den bei der Zer­stö­rung von Indus­trie­an­la­gen durch Luft­schlä­ge, son­dern die Zivil­be­völ­ke­rung i s t zum Haupt­ziel der Angrif­fe gewor­den.

Ange­wen­det wird die Area Bom­bing Direc­ti­ve ab Anfang März 1943 im Batt­le of the Ruhr im Ruhr­ge­biet, das ers­te Mal in Nord­deutsch­land am 29. März 1942 bei der Bom­bar­die­rung Lübecks.

320 Men­schen ster­ben — ein groß­ar­ti­ger Erfolg”, wie Bom­ber Com­mand Har­ris fin­det.

„Bereits am 27. Mai 1943 hat der Chef der bri­ti­schen Bom­ber­flot­te, Arthur “Butch” Har­ris, im streng gehei­men Ein­satz­be­fehl Nr. 173 sei­ne Plä­ne für die Hafen­stadt in schmerz­haf­ter Knapp­heit for­mu­liert: “Absicht: Ham­burg zer­stö­ren.” Ob er dabei an einen Feu­er­sturm dach­te, ist unklar. Aber seit Lan­gem expe­ri­men­tiert die Roy­al Air Force mit unter­schied­li­chen Abwurf­mus­tern und Muni­ti­ons­mi­schun­gen, um Städ­te mög­lichst effi­zi­ent in Brand zu setzen.” 

Aus: Geo Epo­che PANORAMA — Ham­burg. Die Geschich­te der Stadt in his­to­ri­schen Fotos*

Operation Gomorrha

In der Nacht zum 28. Juli 1943 nähern sich 739 bri­ti­sche Flug­zeu­ge Ham­burg, es ist eine 325 Kilo­me­ter lan­ge For­ma­ti­on, die als Bom­ber­strom bezeich­net wird. 

An Bord der Bom­ber gibt es eini­ge tech­ni­sche Neue­run­gen, die den Bom­ber­strom im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes brand­ge­fähr­lich machen: Seit dem Früh­jahr 1943 haben eini­ge RAF-Maschi­nen eine Art Radar an Bord, die eine pri­mi­ti­ve Ori­en­tie­rung — Was­ser, Land, Stadt — ermöglicht. 

Neu ist auch, dass eng­li­sche Boden­sta­tio­nen Peil­strah­len in den deut­schen Luft­raum schi­cken kön­nen, an dem sich die Flug­zeug-Navi­ga­to­ren ori­en­tie­ren. In den Jah­ren zuvor flo­gen die Mann­schaf­ten aus­schließ­lich auf Sicht und in dunk­len und wol­ken­ver­han­ge­nen Näch­ten fast blind — was bei­spiels­wei­se dazu führ­te, dass mehr als ein Dut­zend Angrif­fe, die eigent­lich Kiel oder Lübeck gal­ten, ver­se­hent­lich Ham­burg trafen.

Flakturm St. Pauli 1945
Flak­turm IV in Ham­burg-St. Pau­li bei Kriegs­en­de 1945, gemeinfrei

Völ­lig über­rum­pelt wird die deut­sche Jäger­leit­zen­tra­le in Sta­de in die­ser Nacht von einer ande­ren Neu­heit: ein Lamet­ta-Regen, der plötz­lich rund 50 Kilo­me­ter vor der deut­schen Küs­te über der Nord­see nie­der­geht.
Es sind Strei­fen aus Sta­ni­ol-Papier, exakt so zuge­schnit­ten, dass sie durch Refle­xi­on unzäh­li­ge Rada­rechos erzeu­gen und dadurch die deut­schen Radar­ge­rä­te blen­den und nutz­los machen. 

Jagd­flie­ger der Luft­waf­fe stei­gen auf, um Ham­burg zu schüt­zen, und grei­fen flat­tern­de Wol­ken aus Lamet­ta an, die Flak feu­ert meh­re­re zehn­tau­send Schuss blind in die Nacht, ohne auch nur ein ein­zi­ges feind­li­ches Flug­zeug zu treffen.

Aber nicht nur bei der Navi­ga­ti­on und dem Aus­schal­ten der feind­li­chen Luft­ab­wehr haben die Bri­ten enorm dazu­ge­lernt.
Es ist vor allem eine neue, töd­li­che Kom­bi­na­ti­on aus Spreng- und Brand­bom­ben, die Ham­burg in die Höl­le eines Feu­er­sturms jagt und den 28. Juli 1943 zum unver­gess­li­chen Sinn­bild des tota­len Krie­ges wer­den lässt. Mehr als 100.000 Spreng- und Brand­bom­ben gehen in die­ser Nacht über der Stadt nieder.

Ham­burg wird in meh­re­ren Angriffs­wel­len atta­ckiert, die ver­hee­rends­te ist die an jenem 28. Juli 1943.
Benannt ist die gesam­te „Ope­ra­ti­on Gomor­rha” nach der mythi­schen Stadt, die laut Bibel unter einem Regen aus Schwe­fel und Feu­er begra­ben wurde. 

Am frü­hen Mitt­woch­mor­gen, um exakt 1.02 Uhr des 28. Juli 1943, fällt die ers­te Brand­bom­be aus dem Bauch einer bri­ti­schen Lan­cas­ter auf Hamburg.

Die Silhouette eines britischen Bombers am Himmel über Hamburg im Juli 1943. Photograph C 3371 from the collections of the Imperial War Museums, Gemeinfrei
Die Sil­hou­et­te eines bri­ti­schen Bom­bers am Him­mel über Ham­burg im Juli 1943. Pho­to­graph C 3371 from the coll­ec­tions of the Impe­ri­al War Muse­ums, Gemeinfrei

Eine Stadt wird angezündet

An die Frau­en und Kin­der, Groß­vä­ter und Groß­müt­ter, die sie mit ihrer Fracht töten wer­den, den­ken die jun­gen Pilo­ten, Navi­ga­to­ren, Fun­ker und Bom­ben­schüt­zen nicht, wenn sie in ihren sti­cki­gen und brül­lend lau­ten Maschi­nen sit­zen, ein­ge­pfercht in 4000 Metern über dem Erd­bo­den, sich durch­rüt­teln las­sen und hof­fen, nicht selbst von einem Geschoss aus einer FLAK oder einem Abfang­jä­ger getrof­fen zu werden.

Es sind jun­ge Män­ner, die meis­ten kaum 20 Jah­re altIdea­lis­ten, Nazi-Geg­ner und Aben­teu­rer; Sol­da­ten, die ihre Hei­mat ver­tei­di­gen, Hel­den, manch­mal auch ein­fach nur gro­ße Jungs, die sich vor ihrem lebens­be­droh­li­chen Ein­satz aus purer Angst die See­le aus dem Leib kot­zen und danach zum Dienst antre­ten und in ihre Maschi­nen steigen.

Crew­mit­glied bei der bri­ti­schen Roy­al Air Force (RAF) zu sein, ist ehren­voll, aber nach wie vor im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ein Himmelfahrtskommando.

Sobald das Ziel­ge­biet erreicht wird, folgt der Luft­an­griff einer aus­ge­klü­gel­ten Cho­reo­gra­phie des Schre­ckens: Zunächst fal­len „Christ­bäu­me“ als Ziel­mar­kie­rer, gefolgt von Luft­mi­nen, (dar­un­ter auch soge­nann­te „Block­bus­ter“ – Wohn­block­kna­cker), deren Druck­wel­len Dächer abde­cken, Fens­ter zer­stö­ren und Brand­mau­ern ein­stür­zen las­sen, danach Brand­stä­be und Phos­phor­bom­ben, damit durch die Zug­luft in den beschä­dig­ten Häu­ser mög­lichst gro­ße Brän­de entstehen.

Zum Abschluss wer­den teils mit Zeit­zün­dern ver­se­he­ne Spreng- und Split­ter­bom­ben abge­wor­fen, um Was­ser­lei­tun­gen zu zer­stö­ren, Stra­ßen unpas­sier­bar zu machen und Lösch­trupps „aus­zu­schal­ten“.

„In tech­ni­scher Hin­sicht ist es der bis dahin gelun­gens­te Angriff der Roy­al Air Force. Die Ladun­gen fal­len unge­wöhn­lich kon­zen­triert. Der “Creep back”-Effekt bleibt aus — also die Ten­denz der Bom­ber­be­sat­zun­gen, ihre Fracht immer frü­her abzu­wer­fen, wodurch die Angrif­fe in der Anflug­schnei­se “zurück­krie­chen” und an Wir­kung verlieren.” 

Aus: Geo Epo­che PANORAMA — Ham­burg. Die Geschich­te der Stadt in his­to­ri­schen Fotos*

Feuersturm

Weni­ge Minu­ten nach dem Beginn des Luft­schlags in der Nacht vom 28. Juli 1943 ste­hen bereits etli­che Wohn­blocks in Flam­men, eine hal­be Stun­de spä­ter gan­ze Stadtteile. 

Die Brand­her­de ver­ei­nen sich, wer­den begüns­tigt vom war­men, tro­cke­nen Wet­ter zum Flam­men­meer und schließ­lich erst­mals in der Geschich­te des Zwei­ten Welt­kriegs zu einem Feu­er­sturm, des­sen Zen­trum in Ham­mer­brook liegt, und der mit einem schril­len Pfei­fen den Sau­er­stoff aus der Luft zieht.

Es ist ein Orkan aus Feu­er, den kei­ne Feu­er­wehr der Welt löschen könnte.

Der Asphalt auf den Stra­ßen schmilzt und wird für vie­le Flie­hen­den, die in dem kleb­ri­gen Brei ste­cken blei­ben, zur töd­li­chen Fal­le. Bäu­me, Autos, Dach­tei­le und Men­schen wer­den von den hei­ßen Luft­wir­beln erfasst und mit bis zu 270 Stun­den­ki­lo­me­tern durch die Luft geschleudert.

Es ist das Infer­no, die Höl­le auf Erden.

Die Ein­ge­schlos­se­nen in den Bun­kern ahnen, dass sich drau­ßen etwas abspielt, was weit über alles bis dahin Gewohn­te hin­aus­geht. Vie­le bre­chen aus Ver­zweif­lung die Türen auf, denn die Sau­er­stoff­ver­sor­gung in vie­len Luft­schutz­räu­men ist zusam­men­ge­bro­chen, drin­nen sind vie­le kurz vorm Ersticken. 

Röh­ren­bun­ker mit rekon­stru­ier­ter Innen­ein­rich­tung im Bun­ker­mu­se­um Hamm
Uwe Roh­wed­der — Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0

Drau­ßen ist die Situa­ti­on nicht bes­ser, denn das Feu­er saugt den Sau­er­stoff aus der Luft. Es gibt kein Ent­rin­nen, weder drin­nen noch draußen.

Kurz vor halb vier Uhr mor­gens erreicht der Feu­er­sturm sei­nen Höhe­punkt. Die Flam­men rei­chen vom Ber­li­ner Tor bis Wands­bek; das sind rund vier Kilo­me­ter. Auch in der Innen­stadt fal­len viel Stra­ßen­zü­ge dem Feu­er zum Opfer.

Über 35.000 Men­schen ver­bren­nen, ersti­cken oder wer­den von her­ab­stür­zen­den Tei­len erschla­gen, über 100.000 Men­schen wer­den ver­letzt. Gut die Hälf­te aller Woh­nun­gen — 250.000 — sind zer­stört, 900.000 Ham­bur­ge­rin­nen und Ham­bur­ger sind obdach­los und besit­zen nicht mehr als ihre Klei­der am Leib.

Eine Zeit­zeu­gin schreibt: „Vom Bahn­hof Wands­bek-Mari­en­thal bis zum Haupt­bahn­hof: nicht ein Haus mehr. Man ist jetzt rest­los hei­mat­los. Das dau­ert hun­dert Jah­re, bis es annä­hernd wie­der hoch ist.”

Noch in 200 Kilo­me­ter Ent­fer­nung war der Feu­er­sturm zu sehen. Er tobt mehr als fünf Stun­den im Osten Ham­burgs; erst als die Feu­er kei­ne Nah­rung mehr fin­den, ersti­cken sie nach und nach.

Hamburgs Stadtteil Eilbek nach dem Feuersturm am 28. Juli 1943
Ham­burgs Stadt­teil Eil­bek nach dem Feu­er­sturm am 28. Juli 1943 

Die Hölle auf Erden überleben

Als die Über­le­ben­den am Mitt­woch­mor­gen, dem 28. Juli 1943, aus Luft­schutz­bun­kern, U‑Bahn-Schäch­ten, Kel­lern und Erd­lö­chern krie­chen, folgt dem Grau­en der Nacht erneu­tes Grauen. 

Über­all ent­setz­lich ent­stell­te Lei­chen, schwer­ver­letz­te Brand­op­fer, denen nicht mehr zu hel­fen ist, Trüm­mer, Schutt und Asche. Es ist kaum zu glau­ben, dass es in die­ser Stadt jemals wie­der so etwas wie ein Leben geben kann. 

Vie­le flie­hen in lan­gen Trecks aus der Stadt; selbst Ein­satz­lei­ter und hohe Beam­te set­zen sich ab. Fast scheint es, als ob es mög­lich ist, “auf der Basis von Ham­burg eine Kapi­tu­la­ti­on zu erzwin­gen”, wie es der bri­ti­sche Luft-Vize­mar­schall Donald Benett ausdrückt.

„In Ber­lin sitzt der Schock tief. Reichs­rüs­tungs­mi­nis­ter Speer sagt zu Hit­ler, noch sechs sol­che Angrif­fe, und der Krieg sei zu Ende. Und Feld­mar­schall Erhard Milch, der Gene­ral­inspek­teur der Luft­waf­fe, erklärt: ‘Wir haben den Krieg ver­lo­ren! End­gül­tig verloren!’ ” 

Aus: Geo Epo­che PANORAMA — Ham­burg. Die Geschich­te der Stadt in his­to­ri­schen Fotos*

Die vie­len Toten und Obdach­lo­sen wer­den in Ber­lin von der NS-Pro­mi­nenz besorgt zur Kennt­nis genom­men; man fürch­tet, dass nun die Moral der Bevöl­ke­rung kip­pen wür­de und der Feu­er­sturm von Ham­burg lang­fris­tig auch Hit­lers Krieg been­den könnte. 

Doch letzt­end­lich bleibt die Aus­wir­kung auf die Stim­mung der Bevöl­ke­rung begrenzt; auch die leid­ge­prüf­ten Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner Ham­burgs machen — wie der Rest Deutsch­lands — weiter.

Zwei Wochen nach der Kata­stro­phe stel­len Brief­trä­ger wie­der Post zu, am 15. August fah­ren die ers­ten Züge in den Haupt­bahn­hof ein. 

Das zer­stör­te Ham­burg bleibt bis zum bit­te­ren Ende treu an der Sei­te des Füh­rers”. Immer­hin wider­setzt sich Gau­lei­ter Kauf­mann dem Füh­rer­be­fehl, die Han­se­stadt bis zum letz­ten Mann zu hal­ten. Er über­gibt sie am 3. Mai 1945 kampf­los an die bri­ti­schen Besatzer.

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Einen aus­führ­li­cher Bei­trag über die ‘Ope­ra­ti­on Gomor­rha’ und vie­le wei­te­re span­nen­de Arti­kel, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und Fotos zur Geschich­te Ham­burgs vom Kai­ser­reich bis zur Neu­zeit, gibt es zum Lesen und Schmö­kern in die­sem sehr emp­feh­lens­wer­ten GEO Epo­che Heft.

Micha­el Scha­per (Her­aus­ge­ber): Geo Epo­che PANORAMA — Ham­burg. Die Geschich­te der Stadt in his­to­ri­schen Fotos*, Taschen­buch Sep­tem­ber 2016

Copy­right: Agen­tur für Bild­bio­gra­phien, www​.bild​bio​gra​phien​.de, 2018 (über­ar­bei­tet 2024) 

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Ham­burg in der Nach­kriegs­zeit - eine Stadt steht wie­der auf.
Die Geschich­te der Han­se­stadt von 1939 bis 1949 in Bil­dern, erzählt durch die groß­ar­ti­gen Fotos bedeu­ten­der Stadt­fo­to­gra­fen. Vom natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Grö­ßen­wahn über den Feu­er­sturm bis zum Wie­der­auf­bau nach dem Krieg ist alles dabei — eine sehr sehens­wer­te Doku­men­ta­ti­on Ham­bur­ger Stadt­ge­schich­te.
Jan Zim­mer­mann (Her­aus­ge­ber), Ham­burg. Krieg und Nach­krieg*, Novem­ber 2017

Äußer­lich fand Deutsch­land schnell sei­nen Weg in eine bes­se­re Zukunft,
inner­lich blie­ben alte Wun­den und Nar­ben. Ein sehr ein­fühl­sa­mes Buch, her­vor­ra­gend recher­chiert und mit vie­len Fall­bei­spie­len über die Nach­wir­kun­gen von Natio­nal­so­zia­lis­mus, Bom­ben­krieg und Flucht und Ver­trei­bung, die teil­wei­se bis in die Gene­ra­ti­on der Kin­der und Enkel zu spü­ren sind.

Anne-Ev Ustorf, Wir Kin­der der Kriegs­kin­der*, Ver­lag Her­der GmbH, 2010 

Ver­steck­spie­len in den Trüm­mern und mit der ers­ten Lie­be auf dem Als­ter­damp­fer.
Leicht hat­te es die­se Gene­ra­ti­on nicht, aber sie haben es sich schön gemacht und blick­ten hoff­nungs­voll in die Zukunft. Ein schö­nes Erin­ne­rungs­buch, authen­tisch geschrie­ben und haut­nah aus einer Zeit, die noch gar nicht so lan­ge her ist.

Ger­hard Schött­ke, Auf­ge­wach­sen in Ham­burg in den 40er und 50er Jah­ren*, Gebun­de­nes Buch, Wart­berg Ver­lag, 2008 

Der Ham­bur­ger Hafen von 1870 bis 1970
in his­to­ri­schen Bil­dern. Eine wun­der­ba­re Zeit­rei­se von einem, der dabei war: Har­ry Braun hat als Ewer­füh­rer, Decks­mann und Schif­füh­rer auf Bar­kas­sen und Schlep­pern gear­bei­tet. Erin­ne­run­gen der beson­de­ren Art — nicht nur für Land­rat­ten, son­dern auch für Ham­bur­ger, die ihren Hafen ken­nen.

Har­ry Braun, Der Ham­bur­ger Hafen — Eine Zeit­rei­se in Bil­dern*, Sut­ton Ver­lag, Juni 2014 

Ein wun­der­schö­ner Bild­band über Ham­burg
mit Foto­gra­fien aus den 1940er, 1950er und 1960er Jah­ren.
Sehr sehens­wert und übri­gens auch eine tol­le Geschenk­idee für ‘ein­ge­bo­re­ne’ Ham­bur­ger und Ham­burg-Fans!

Gün­ter Zint (Her­aus­ge­ber),‎ Jens Bove (Her­aus­ge­ber),‎ Eva Decker (Autor): Ham­burg mei­ne Per­le*
Gebun­de­ne Aus­ga­be, Emons Ver­lag, Okto­ber 2017 

Ein Roman über Fami­lie, Flucht und Ver­trei­bung und ihre Nach­we­hen,
über ges­tern und heu­te, die Sehn­sucht nach Hei­mat und das Alte Land bei Ham­burg — groß­ar­tig und mit fei­ner Iro­nie geschrie­ben. Ein span­nen­des Buch, das man erst schwe­ren Her­zens aus der Hand legt, wenn man es durch­ge­le­sen hat.

Dör­te Han­sen, Altes Land*, Ver­lags­grup­pe Ran­dom House GmbH, 2015

Wei­ter­füh­ren­de Beiträge:

Sta­lin­grad: Nach dem desas­trö­sen Win­ter­krieg 1941/42 in der Sowjet­uni­on hof­fen Hit­lers Gene­rä­le, wenigs­tens einen Teil der Wehr­macht durch einen stra­te­gi­schen Rück­zug ret­ten zu kön­nen. Aber der „Füh­rer“ will kei­nen Rück­zug; er will angrei­fen. Und dass, obwohl sich das Kräf­te­ver­hält­nis Ende 1941 dra­ma­tisch zu Unguns­ten des Drit­ten Reichs ver­scho­ben hat.
Hit­lers Krieg: Kriegs­wen­de 1942

Flucht und Ver­trei­bung: In den Augen vie­ler Ein­hei­mi­scher sind die Flücht­lin­ge die „Pola­cken“, die ihnen das Weni­ge, das sie nach dem ver­lo­re­nen Krieg noch haben, weg­neh­men wol­len. Heu­te hal­ten Wirt­schafts­his­to­ri­ker den “Brain­gain”, den Gewinn an Talen­ten durch die Flücht­lings­wel­le nach dem Krieg, für eine der wich­tigs­ten Grund­la­gen des „Wirt­schafts­wun­ders“ — wich­ti­ger als Mar­shall-Plan und Lud­wig Erhard.
Ihr Flücht­lin­ge

Ham­burg 1923: Fünf Jah­re sind seit dem Ende des Welt­krie­ges ver­gan­gen, aber Deutsch­land kommt nicht zur Ruhe. In Ham­burg üben die Kom­mu­nis­ten Welt­re­vo­lu­ti­on und für weni­ge Stun­den gibt es eine „Sowjet­re­pu­blik Stor­marn“. Ernst Thäl­mann, Ham­burgs cha­ris­ma­ti­scher KPD-Füh­rer, bringt sich für sei­ne wei­te­re Kar­rie­re in Stel­lung, Sta­lin und Hit­ler mischen auch schon irgend­wie mit.
Ham­burg auf den Bar­ri­ka­den

Ham­burg his­to­risch: Es sind Grün­der wie der Ham­bur­ger Albert Bal­lin, die den Rei­chen und Schö­nen im aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert das Leben schwer machen. Empor­kömm­lin­ge aus klei­nen Ver­hält­nis­sen, die eige­ne Unter­neh­men grün­den und sich mit eiser­nem Wil­len und Biss Wohl­stand und Ein­fluss erkämp­fen. Bal­lin steigt nicht nur zum Gene­ral­di­rek­tor der HAPAG auf, son­dern wird auch enger Ver­trau­ter und “Ree­der des Kai­sers”. Bei Hofe in Ber­lin sieht man das nicht ger­ne.
Die Welt ist fried­los gewor­den. Albert Bal­lin, der Ree­der des Kaisers

Lebens­ge­schich­te: Kann man “erzähl­te Geschich­te” auf­schrei­ben? Man kann. Und soll­te es für nach­fol­gen­de Gene­ra­tio­nen auch.
11 Tipps, die Sie beim Schrei­ben einer Bio­gra­fie beach­ten soll­ten

Bild­nach­wei­se:

Denk­mal­ge­schütz­ter Hoch­bun­ker in der Bramfel­der Str. 96 in Barm­bek-Nord
Von Uwe Roh­wed­der — Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0, https://​com​mons​.wiki​me​dia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​c​u​r​i​d​=​8​6​1​5​7​985

Flak­turm IV in Ham­burg-St. Pau­li bei Kriegs­en­de 1945, gemein­frei
The Flak­turm IV in Ham­burg, Ger­ma­ny. It mea­su­res 75 by 75 m, with a height of 39 m. Noti­ce the four twin 12.8 cm Flak Zwil­ling 40 guns.

An Avro Lan­cas­ter of No. 1 Group, Bom­ber Com­mand, sil­hou­et­ted against fla­res, smo­ke and explo­si­ons during the attack on Ham­burg, Ger­ma­ny, by air­craft of Nos. 1, 5 and 8 Groups on the night of 30/31 Janu­ary 1943. This raid was the first occa­si­on on which H2S cen­ti­me­tric radar was used by the Path­fin­der air­craft to navi­ga­te the force to the tar­get. The pilot of the pho­to­gra­phing air­craft (Lan­cas­ter ‘ZN‑Y’ of No. 106 Squa­dron, based at Syer­s­ton) was Flt Lt D J Shan­non who, as a mem­ber of No. 617 Squa­dron, took part in Ope­ra­ti­on CHASTISE (the “Dams Raid”) during the fol­lo­wing May.Von No 106 Squa­dron RAF : Roy­al Air Force offi­ci­al pho­to­grapher — This is pho­to­graph C 3371 from the coll­ec­tions of the Impe­ri­al War Muse­ums, Gemein­frei

Denk­mal­ge­schütz­ter Hoch­bun­ker in der Bramfel­der Str. 96 in Barm­bek-Nord
Von Uwe Roh­wed­der — Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0, https://​com​mons​.wiki​me​dia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​c​u​r​i​d​=​8​6​1​5​7​985

Ham­burgs Stadt­teil Eil­bek nach dem Feu­er­sturm am 28. Juli 1943.
Von Dowd J (Fg Off), Roy­al Air Force offi­ci­al pho­to­grapher — https://​www​.iwm​.org​.uk/​c​o​l​l​e​c​t​i​o​n​s​/​i​t​e​m​/​o​b​j​e​c​t​/​2​0​5​0​2​3​6​0​1​.​T​his is pho­to­graph CL 3400 from the coll­ec­tions of the Impe­ri­al War Muse­ums, Gemeinfrei 

Geschichte und Psychologie Vergangenheit verstehen um mit der Zukunft besser klar zu kommen
Geschich­te & Psy­cho­lo­gie:

Vergangenes verstehen,
um mit der Zukunft besser klar zu kommen.

Ich brin­ge mit mei­nem Team Lebens‑, Fami­li­en- und Unter­neh­mens­ge­schich­ten ins Buch und schrei­be als Ghost­wri­te­rin Bücher mit den Schwer­punk­ten Geschich­te und Psy­cho­lo­gie.

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121490coo­kie-checkHam­burg 1943: Die Ope­ra­ti­on Gomor­rha

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